Wohnen mit Lebensqualität «Wir sprechen alle Sinne an und fördern die Lebensqualität"
Wie hat sich die Pflege im Bereich Demenz in den vergangenen Jahren verändert?
Andrea Ermler: Nicht nur die Wahrnehmung in der Gesellschaft rund um die Demenz hat sich immens geändert, auch hat man in Medizin und Pflegewissenschaft festgestellt, dass in der Praxis die Betreuung von Menschen mit Demenz einen wichtigen, wenn nicht noch grösseren Einfluss auf das positive Wohlbefinden hat als Medikamente.
Ziel ist, Menschen mit Demenz zu führen und anhand ihrer Emotionen herauszufinden, was ihnen guttut, wo sie sich sicher fühlen und was sie irritiert. Grenzen zeigen sich immer da, wo wir wahrnehmen, dass unsere Realität Menschen mit Demenz verwirrt.
Aspekte, die auch im neuen marthastift berücksichtigt werden?
Andrea Ermler: Richtig, wir versuchen die Pflege und Betreuung so zu gestalten, dass Grenzen möglichst geringgehalten werden und die Menschen bei uns viel Selbstbestimmung und Autonomie erfahren können. Wir haben deshalb unterschiedliche Erlebnisräume geschaffen. Denn Menschen mit Demenz und psychogeriatrischen Erkrankungen suchen gerne Kontakt, benötigen jedoch auch Rückzugs- und Ruhemöglichkeiten.
Welche Unterschiede sind im Vergleich zu einer Pflegeeinrichtung ohne Spezialisierung erkennbar?
Monica Basler: Unser Vorteil ist, dass wir uns ausschliesslichauf Menschen mit Demenz, psychiatrischen und psychogeriatrischen Erkrankungen fokussieren können. Wir arbeiten eng mit Universitäten und Hochschulen zusammen, zum Beispiel im Rahmen von angewandten Forschungsprojekten zur Verbesserung der Lebensqualität der Bewohnenden und ihren Angehörigen. Zudem bestehen zu umliegenden Fachinstitutionen bewährte Kooperationen, etwa im Rahmen von Weiterbildungen, fachlicher Beratung und ärztlicher Betreuung.
Wie schulen Sie Ihr Personal?
Monica Basler: Wir haben für alle im Haus tätigen Berufsbereiche ein spezifisches modulares Fortbildungsprogramm entwickelt. Wir wollen, dass Bewohnende, Angehörige und Mitarbeitende den oft sehr anspruchsvollen Alltag möglichst kohärent erleben. Dies bedeutet für alle Beteiligten, dass das, was sich hier abspielt, nachvollziehbar, sinnstiftend und zu bewältigen ist. Spontanität, Humor und Gelassenheit sind uns dabei verlässliche Wegbegleiter.
Welchen Einfluss hat die Architektur in Ihrem Haus auf das Wohlbefinden der Bewohnenden?
Yves Ruch: Unser Wohnkonzept ist auf das Leben mit Demenz ausgerichtet: Alle Bewohnende können sich frei in Haus und Garten bewegen. Die Gänge im Haus führen von einem sozialen Punkt zum nächsten, und überall ist der Blick in den Garten möglich, welcher die Jahreszeiten erlebbar macht. Das Lichtkonzept ist so gestaltet, dass unsere Gemeinschaftsräume nicht nur lichtdurchflutet sind, sie werden ergänzt durch zirkadianes Licht, welches die Bewohnenden im Tag- und Nachtrhythmus unterstützt.
Kann man mit der Art der Pflege ein Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen?
Andrea Ermler: Verschiedene Studienergebnisse und so auch unsere Erfahrungen zeigen, dass Menschen mit Demenz mittels ihrer Ressourcen gefördert werden können. Wenn wir im Wissen um diese Ressourcen gezielt geeignete Akzente setzen, wirkt sich dies positiv auf ihr Wohlbefinden und ihre Lebens- und Erlebnisqualität aus und kann den Prozess der Erkrankung durchaus lindern. Das ist unser Hauptziel.
Ihre Alltagsgestaltung orientiert sich stark an der Biografie der Bewohnenden. Inwiefern?
Yves Ruch: Die Arbeit mit und für Menschen mit Demenz zielt darauf ab, «alle Sinne anzusprechen und Lebensqualität zu fördern». Es ist wichtig zu wissen, was sie gerne mögen. Das können Lieblingsbeschäftigungen von früher sein. Aber auch neue Vorlieben gilt es in Erfahrung zu bringen. Menschen, die zum Beispiel gerne länger schlafen, können das. Strickt jemand gerne, sorgen wir dafür, dass immer genügend Wolle da ist. Oder wir versuchen Bewohnende mit ähnlichen Interessen zusammenzubringen. So bieten wir unter anderem Koch- und Laufgruppen oder auch Yoga an. Weitere die Sinne anregende Gestaltungselemente sind diverse Musikangebote, wie der Klang-Dialog mit einem Monochord, Konzerte und Gesangsrunden. Zudem sind Rituale ganz wichtig: religiöse spirituelle und kulturelle Anlässe, Geburts - und Hochzeitstage – alles unter der Prämisse, im Lebensalltag von Bewohnenden und Mitarbeitenden wohltuende und heitere Akzente zu setzen.

Im Interview:
Monica Basler MPH
Geschäftsleiterin neues marthastift
Yves Ruch
Leiter Pflege und Betreuung
Mitglied Geschäftsleitung
Andrea Ermler
Pflegeexpertin / Leiterin Pflegeentwicklung
Erstellt: 01.05.2022 07:00 Uhr
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Dieser Beitrag wurde von onlineimpact. in Kooperation mit neues marthastift erstellt. Die Redaktionen von Tages-Anzeiger und Tamedia / TX Group haben keinerlei Einfluss auf die Inhalte.