FINANZPLATZ SCHWEIZ «Es gibt im Asset Management derzeit grössere Herausforderungen als Greenwashing»

Asset Manager nehmen die Verantwortung in der Bekämpfung des Klimawandels ernst. Darum sollten sie auch anhand ihrer Leistungen beurteilt werden, sagt Adrian Schatzmann, CEO der Branchenverbands AMAS.

Asset Manager lenken das Kapital von Investoren in wirtschaftlich nachhaltige Aktivitäten.

Herr Schatzmann, die Erwartungen an die Finanzindustrie und insbesondere auch die Asset Manager sind hoch: Sie sollen das Klima retten, die Welt von der Armut befreien und für eine sozial gerechtere und nachhaltige Wirtschaft sorgen. Kann ihre Branche das wirklich?
Die Finanzbranche spielt eine wichtige Rolle. Mit rund CHF 3 Billionen Franken an verwalteten Vermögen verfügt das Schweizer Asset Management tatsächlich über einen starken Hebel bei der Allokation von Kapital in nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten. Asset Manager halten oft auch grosse Anteile an einem Unternehmen. Ihre Anlageentscheide haben entsprechend eine hohe gesellschaftliche Relevanz. Aber Sie haben mit Ihrer Frage recht: Die Transformation der Wirtschaft, zum Beispiel die Dekarbonisierung, muss letztlich in der Realwirtschaft stattfinden. Insofern sind die hohen Erwartungen an die Finanzindustrie oftmals unrealistisch und zum Teil auch politisch motiviert.


Erklären Sie das.
Wenn Kritiker der Finanzindustrie vorwerfen, auf «Trillionen zu sitzen» und dieses Kapital nicht für den notwendigen Umbau der Wirtschaft zur Verfügung zu stellen, verstehen sie entweder die Finanzindustrie nicht oder versuchen bloss, Empörung zu bewirtschaften. Der entscheidende Punkt ist: Das angesprochene Kapital gehört nicht den Finanzinstituten – sondern ihrer Kundschaft. Diese entscheidet über die Anlagestrategie – nicht der Asset Manager oder die Bank. Dem Handlungsspielraum der Asset Manager sind somit klare Grenzen gesetzt.


Es sind doch Asset Manager und Banken, die Anlageprodukte entwickeln und die Kunden entsprechend beraten. Sie können durchaus beeinflussen, dass Kapital sinnvoll und zielgerichtet investiert wird.
Das ist richtig. Das Produkteangebot an nachhaltigen Anlagen hat sich denn auch in den letzten Jahren massiv vergrössert. Unsere Kunden und Kundinnen erwarten vermehrt, dass investiertes Kapital eine positive ökologische oder soziale Wirkung erzielt, beispielsweise CO2 -Emissionen senkt oder in bestimmten Regionen die Armut mindert. Es sind aber nicht alle Anlagestrategien gleich gut geeignet, um Erwartungen bezüglich Wirksamkeit wirklich abzubilden. Ein Beispiel: Die meisten Aktienfonds, welche dem breiten Publikum zugänglich sind, investieren in Firmen, welche an einer Börse gelistet sind. Verkauft der Fondsmanager nun eine Aktie aufgrund von Nachhaltigkeits- oder Klimakriterien, kauft sie ein anderer Investor, dem diese Kriterien weniger wichtig sind. Dem Unternehmen wird dadurch aber kein Kapital entzogen. Die Aktie wechselt bloss den Besitzer. Mit anderen Worten: Ein Anlagefonds, der Unternehmen mit hohen CO2 -Emissionen ausschliesst, mag zwar «grün» wirken, leistet aber kaum einen positiven Klimabeitrag. Das Anlageportfolio wird zwar «dekarbonisiert», nicht aber die Realwirtschaft.


Wie sieht dann ein nachhaltiger Aktienfonds aus?
Es mag intuitiv falsch wirken, aber die heutigen «Klimasünder» nehmen die wichtigste Rolle bei der Bekämpfung des Klimawandels und bei der Transition zu einer CO2 -freien Wirtschaft ein. Verfolgen diese Firmen einen konsequenten Umbau Ihres Geschäftsmodels, so macht es für den Klimaschutz mehr Sinn, ein Anlageportfolio mit diesen Unternehmen zu führen, als sie aus dem Portfolio auszuschliessen – auch wenn sie heute noch einen grossen CO2 -Fussabdruck ausweisen. Über die Ausübung der Aktionärsrechte besitzen Asset Manager einen wichtigen Hebel, um diese Transformation durchzusetzen.


Müsste die Ausübung der Aktionärsrechte durch Asset Manager nicht längst ein
Standard sein?

Ich kenne diesen Einwand und sehe, dass die Branche sich in diesem Bereich noch stärker engagieren muss. Doch der Wandel ist bereits im vollen Gang: Viele bedeutende Asset Manager betreiben inzwischen Investment Stewardship¸ also die Zusammenarbeit mit Verwaltungsrat und Management eines Unternehmens sowie die aktive Stimmabgabe als Aktionär, und fordern – in Kombination mit einer konsequenten Stimmrechtsauübung - das Erreichen von Nachhaltigkeits- und Klimazielen auch in einem Dialog ein. Hier liegt grosses Potenzial für Asset Manager, um effektive Wirkung zu erzielen. Auch deshalb hat die AMAS, in Zusammenarbeit mit Swiss Sustainable Finance (SSF), im letzten Jahr den Swiss Stewardship Code publiziert. Dabei handelt es sich um eine Leitlinie für Asset Manager, Asset Owner und Finanzdienstleister zur Förderung der aktiven Ausübung von Aktionärsrechten durch Schweizer Investoren. Dieser Code ist nicht nur für Asset Manager relevant, sondern spricht auch die sogenannten «Asset Owner» an, also typischerweise Pensionskassen, und bietet ein Instrumentarium für wirkungsvolles Investieren für die wichtigsten Investoren in der Schweiz.


Gleichwohl: Die Vorwürfe an Ihre Branche reissen nicht ab. So wird Ihre Branche oft
pauschal des «Greenwashings» bezichtigt.

Vorab: Greenwashing, also die bewusste oder unbewusste Täuschung von Kunden und Anlegerinnen über nachhaltige Eigenschaften von Finanzprodukten und -dienstleistungen, hat schlicht keinen Platz auf dem Finanzplatz Schweiz. Die strategische Priorität der AMAS ist, im Einklang mit dem Bundesrat und anderen Finanzverbänden, den Schweizer Finanzplatz führend im Bereich Sustainable Finance, das heisst der nachhaltigen Finanzen zu positionieren. Dies gelingt uns nur, wenn unsere Kundinnen und Kunden unsere Industrie und unsere Anlageprodukte und -dienstleistungen als glaubwürdig, integer und transparent wahrnehmen. Konkret: Ein Anlagefonds, der einen Beitrag zur Erreichung der globalen Klimaziele verspricht, muss dies auch nachvollziehbar und in verständlicher Sprache belegen können. Wir unterstützen alle Anstrengungen zur Bekämpfung und Vermeidung von Greenwashing und haben mit unserer «Selbstregulierung zu Transparenz und Offenlegung bei Kollektivvermögen mit Nachhaltigkeitsbezug» ein sehr wirksames Instrument zur Vermeidung von «Greenwashing» erstellt. Im September 2023 trat diese Selbstregulierung, die für alle rund 180 AMAS-Mitglieder verbindlich ist, in Kraft. Die Selbstregulierung definiert Anforderungen an die Organisation von Asset Managern, setzt höhere Qualitätsstandards für nachhaltige Anlageprodukte und sichert durch umfassende Dokumentations- und Reportingpflichten die Transparenz und auch die Vergleichbarkeit der Produkte.


Das reicht offensichtlich nicht: Der Bundesrat hat angekündigt, dass eine Vorlage zur
Bekämpfung von Greenwashing erarbeitet wird.

Die Schweizer Finanzbranche sperrt sich nicht per se gegen eine Regulierung. Allerdings ist die weltweite Dynamik im Bereich von nachhaltigen Anlagen, zum Beispiel in Definitionsfragen oder bei der Messung der Wirksamkeit von nachhaltigen Anlageprodukten derart hoch, dass eine nationale Regulierung immer Gefahr läuft, beim Inkrafttreten bereits wieder veraltet zu sein. Wir sind überzeugt, dass eine Selbstregulierung derzeit das bessere und effektivere Instrument ist, um die Position der Schweiz als führenden Standort für nachhaltige Finanzen zu festigen und um «Greenwashing» zu vermeiden.Unabhängig davon muss jede Regulierung dem internationalen Umfeld Rechnung tragen und darf keinen «Swiss Finish», also weitere Verschärfungen oder Abweichungen auf nationaler Ebene, beinhalten. Die meisten unserer Mitglieder sind auch im EU-Raum tätig. Müssten diese Finanzinstitute nun neu zwei abweichende Regulierungen berücksichtigen, so führt das zu unnötigen Duplikationen mit entsprechenden Kostenfolgen. Zudem wird die Vergleichbarkeit von nachhaltigen Anlagefonds für die Anleger und Anlegerinnen erschwert, wenn diese Produkte je nach Fondsdomizil über unterschiedliche Nachhaltigkeitsmerkmale verfügen.


Warum stellt der Schweizer Finanzplatz eigene Regeln auf? Die EU hat doch bereits eine umfassende Regulierung im Bereich Nachhaltigkeit.
Die aktuelle EU-Taxonomie unterteilt die wirtschaftlichen Aktivitäten in zwei Gruppen: Nachhaltige und nicht-nachhaltige Aktivitäten. Dieser streng binäre Ansatz blendet die Transformation aus: Insbesondere jene Unternehmen und Sektoren können einen positiven Beitrag leisten, die im Rahmen einer überprüfbaren Nachhaltigkeitsstrategie ihr Geschäftsmodell ändern, also beispielsweise aus CO2 -intensiven Aktivitäten aussteigen. Die EU-Regulierung ist sehr umfassend und weist auch einen hohen Detaillierungsgrad auf. Hier bevorzuge ich den prinzipienbasierten und flexibleren Ansatz, der typischerweise die Schweizer Regulierung auszeichnet.


Nehmen Sie, mit Blick auf Nachhaltigkeit, Greenwashing tatsächlich als grösstes Problem auf dem Schweizer Finanzplatz wahr?
Interessanterweise hat sich der grösste Greenwashingfall in der Schweiz ausserhalb der Finanzindustrie ereignet, nämlich im CO2 -Zertifikatehandel. Ich will das Thema Greenwashing nicht kleinreden, bin aber immer wieder überrascht, wieviel Ressourcen wir diesem Thema widmen. Die weitaus grösseren Herausforderungen liegen meines Erachtens anderswo. Ich bin überzeugt, wenn wir in zehn bis 15 Jahren zurückschauen, wird unsere Industrie vor allem daran gemessen werden, ob wir es geschafft haben, unsere gesellschaftliche Verantwortung als Grossaktionär wahrzunehmen und ob wir Anlagegefässe geschaffen haben, die Kapitalflüsse grossflächig, das heisst zugänglich für alle Anlegerinnen und Anleger, in nachhaltige wirtschaftliche Aktivitäten lenken. Anders gesagt: Haben wir mit unseren Aktivitäten einen spürbaren Beitrag an eine nachhaltigere Welt geleistet?

«Es gibt im Asset Management derzeit grössere Herausforderungen als Greenwashing»

Im Interview

Adrian Schatzmann
CEO Asset Management Association Switzerland
www.am-switzerland.ch

Erstellt: 25.02.2024 07:00 Uhr

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Dieser Beitrag wurde von Xmediasolutions in Kooperation mit Asset Management Association Switzerland erstellt. Die Redaktionen von Tages-Anzeiger und Tamedia / TX Group haben keinerlei Einfluss auf die Inhalte.